1. Zugspitz-DT 2015
Am 11. Juli 2015 war es soweit, das erste Dogtrekking in Deutschland wurde mit dem ersten offiziellen Zugspitz-DT Wirklichkeit. Im Oktober 2012 war der Organisator Bernd Spring erstmals mit dieser Sportart als Teilnehmer des Ötscher-DT intensiv in Berührung gekommen und keine drei Jahre später hat er offiziell zur knackigsten Dog- trekkingstrecke (die ich kenne) geladen. DANKE für Dein Engagement und die tollen Strecken, die Du für uns alle gefunden hast, Bernd! Das hast Du gut gemacht … und wirst drum auch nicht ausgelacht, nein, Du hast Dir vielmehr einen Stammplatz in der kleinen Runde der „Pathfinder“ gesichert (= Du bist ein DT-Macher, ein Wegbereiter!) :)
Vor zwei Jahren zu einer Probebelaufung eingeladen, stand für mich eine Teilnahme gar nie in Frage, selbstverständlich wollte ich dabei sein und als Mitglied eines starken Kontingents aus Österreich ließ ich mir das auch nicht entgehen. Sheyenne und Sannerk werden heuer zehn und neun Jahre alt, aber sie sind gut drauf und lange Distanzen ge- wöhnt. Einzig daß Sheyenne noch immer ihren Lapplandpelz durch die Gegend trägt – Sannerk hat sich seiner Unterwolle in den letzten beiden Wochen noch rechtzeitig ent- ledigt – macht strategische Überlegungen nötig. Hitzestrategische Überlegungen. Da Bernd uns bei der Startzeit (wie bei vielen anderen Punkten) völlig freie Hand ließ, rückt der geplante Start in Gesprächen mit Gerhard immer weiter nach vor – zwei Uhr, Mitternacht oder überhaupt schon freitags? Wir einigen uns auf 00:01 Uhr, wir wollen am Samstag starten und ich wenigstens etwas Schlaf nachholen. Am Tag vor der Ab- fahrt habe ich mich der Fertigstellung der Hundebox gewidmet statt zu packen und die Strecke in meine digitale Wanderkarte zu übertragen sowie auszudrucken. Nun ja, es fuxte ziemlich, ich wurde mit der Box nicht fertig und zu Schlaf kam ich gerade 1,5 Stunden vor der Abfahrt. Aber auch nur, weil ich Gerhard mitten in der Nacht eine SMS schrieb, daß ich statt um 04:00 erst um 05:00 Uhr bei ihm sein würde. In der Tiefschlaf- phase sind Wecker einfach leiser, daher ein Anruf um 04:58 Uhr: “Du Gerhard, ich bin gerade bei Alland, also am Weg.“ „Gut, dann bist du ungefähr in einer halben Stunde bei mir …“. Die Fahrt verlief problemlos bei konstanter Unterhaltung mit und von Ger- hard. Müdigkeit war kein Thema, noch nicht.
In Grainau hatten wir uns schnell am Campingplatz eingerichtet und konnten als frühe Ankömmlinge unsere Zelte am schattenbespedetsten Rand der baumlosen Wiese auf- schlagen. Nach und nach trudelten bekannte und neue Gesichter ein. Aldi über der Straße und der Schmölzer Wirt am Eck besänftigten unseren aufgekommenen Hunger und versorgten uns auch mit Reserven für das unmittelbare Leben nach dem Zugspitz- DT. Die Schlafversuche waren maximal Nickerchen, aber immerhin. Begrüßungen, Hunderunden, Plaudereien und gemütliches Zusammensein ließen die Zeit im Flug ver- gehen. Für kampfkrafterhaltende Maßnahmen zogen wir uns vernünftigerweise zurück, doch tiefer Schlaf stellte sich nicht ein.
Der Wecker war willig, doch das Fleisch einfach noch zu schwach. „Geht nur, ich kom- me nach!“ sagte ich zu Gerhard und mit allen verfügbaren Kräften stellte ich den Wek-
ker erneut. Anja, Caro, Sarah, Tanja und Gerhard verließen den Campingplatz mit ihren Hunden plangemäß um 00:01 Uhr , Sheyenne, Sannerk und ich starteten um 02:42 Uhr.
In angenehmer Nachtkühle trabten wir uns locker Richtung Gebirge ein. Den ersten Wanderer sahen wir noch am Ortsende von Grainau, zwei weitere Stirnlampenträger grüßten wir noch vor der Klamm – nein, wir waren nicht die einzigen Nachtvögel. So sehr ich bedauerte, daß der Trail für uns Dogtrekker nicht durch die Partnachklamm führen sollte, so ein Geschenk war die Hölltalklamm. Noch spektakulärer, deutlich län- ger … Fünf Sterne werden es bloß gewesen sein, die ich zählen konnte, so eng und tief hat sich der Wildbach hier in den Fels eingefressen. Bis zu 150 Meter tief, wie ich in ei- nem anderen Bericht gelesen habe. Beim Drehkreuz hatte ich die Hunde abgehängt und frei liefen sie mit mir durch die Klamm, bis … ja bis Sheyenne nicht mehr hinter mir war. Ich leuchtete zurück, rief – keine Sheyenne! Ein gutes Stück zurück wurde ich von ihr erfreut begrüßt. Das Tosen des Wildbaches war ihr wohl irgendwann zu laut. Ich wunderte mich ohnehin, wie tapfer und frohgelaunt sie durch die tosende Klamm lief, sie, die bereits bei stärkerem Wind in Haus kommt. An der Leine folgte sie anstandslos und als uns Sannerk entgegenkam lief sie mit ihm wie üblich wieder vor mir. Nach der Baustelle der Hölltalangerhütte ging es auf der anderen Seite des Hölltales über Fels- pfade weiter, der ersten Morgenröte entgegen. Ganz langsam verlor die Dunkelheit der Nacht an Kraft und der orangerote Streifen im Osten erreichte seine ganze Pracht.
Nach dem Knappenhäusern benötigte ich bald kein künstliches Licht mehr und zu Son- nenaufgang erreichten wir die erste Leseprobe meines immer gerne gelesenen Hermann Hesse (Checkpoint 1) vor der Hochalm - 100 Extrameter in die falsche Richtung inklu- sive. Ein Stück bergauf noch und der Abstieg zur Partnach begann.
Unter den Bernardeinwänden führten Serpentinen wieder in den Latschengürtel und in den Wald und gleich nach dem Felsdurchgang traf ich auf Sarah, Tanja und Gerhard. Ein herrlich weicher Waldbodenweg ließ nichts anderes als Laufschritt zu, nach einer kurzen Unterhaltung waren wir wieder alleine. Irgendwo am Beginn der Waldserpenti- nen brach einer meiner Stöcke, einfach so, ganz ohne Angelpunkt und Hebelwirkung. Was soll´s, auf den Rucksack geschnallt und weiter. Die ersten Sonnenstrahlen fielen in die oberen Etagen des Reintales, in welches wir eintauchten. Die einzige Gemse auf deutscher Seite in zwei Aufenthalten warnte vor uns, ein Schwarzspecht begleitete uns ein kurzes Stück. An zwei steinalten Eiben vorbei erreichten wir die Talsohle und die Bockhütte, den zweiten Checkpoint. Doch wo war bloß die Leseprobe versteckt? Ein Photo der Hunde vor der Bockhütte sollte ja auch reichen, also ging es gleich zur Part- nach, um die Hunde trinken zu lassen. Ein gutes Wegstück weiter fiel mir ein, daß Bernd von einem hohlen Baum sprach, wo das Buch versteckt auf uns wartete …
Der Partnach entlang strebten wir der Schlüsselstelle für Winterpelzträger zu, dem An- stieg zwischen Angerhütte und Knorrhütte. Kurz nach der Angerhütte legten wir einmal zwanzig Minuten Pause mit Schnuserei, Snack und Pfotenkontrolle ein. Die Hunde la- gen bald ohne zu hecheln entspannt im Gras, also Aufbruch! Um 9 Uhr war der Anstieg bereits voll in der Sonne und forderte von allen ihren Schweiß. Alle vier Wanderer und die beiden nun marschierenden Biker ließen wir mehrmals hinter uns, denn während der zwei Hechelpausen in den einzigen Schattenstreifen ließen wir manche wieder vorbei. Auftanken an der Quelle, Rückgewinnung der Führung im Rennen um den Schatten- platz der mittleren Terrasse vor der Knorrhütte und es war geschafft. Diesmal wurde mein Knorrhütten-Frühstück mit einem sensationellen Käsekuchen (= Topfenkuchen) zum Kaffee zur Tradition und zum Etappenpreis, denn ab hier konnte ich auf Kühlung durch Wind und Schnee rechnen.
Eine Stunde Pause brachte nette Bekanntschaften aber auch viele Menschen, mit denen wir dann auch den weiteren Weg teilten. 300 oder 500 Schafe weideten hier heroben, ließ mich ein Schäfer wissen – und ich ihn, daß ich meine Hunde ohnehin angeleint las- se. Vor den Schneefeldern wurden Schafe und Menschen seltener, das heißt sie waren nur mehr einzeln zu sehen. Gut, daß hund sich auch an der Leine im Schnee wälzen und eingraben kann ;)
Eine spannende Frage würde bald zu beantworten sein: Ist DER Geröllhang noch ein Schneefeld oder nicht mehr? Dieser steile Geröllhang ist unausweichlich zu meistern, wenn man zum Einstieg des Klettersteiges möchte. Und das wollten wir, denn das ver- diente Gipfelbier wartete danach und Bernd hat seinen dritten Checkpoint neben dem Einstieg positioniert. Was der erste Anblick offenbarte? Schneefeldreste zogen fast bis in die Höhe des Klettersteigeinstieges, aber nur mehr links und rechts davon und das mit einigem Abstand. Kein Jubel machte sich in mir breit, aber so war es eben. Doch dann, um einiges näher, sah ich Trauben von Menschen sich die Serpentinen über den Geröll- hang und den Klettersteig Richtung Gipfelregion schleppen … „Nein, das tu ich mir und den Hunden nicht an!“, war mein erster Gedanke. Danke, daß ich vor zwei Jahren bereits oben war, für heuer ist es wohl einfach bereits zu spät und zu viel los. So be- schloß ich, die Hunde mit der halben Tagesration zu füttern und in einem kleinen, halb offenen Liftwärterhäuschen zurückzulassen, um alleine zum Checkpoint zu gehen.
Das Geröll war heuer nicht so strapaziös, wie ich es in Erinnerung hatte. „Zwei Schritte rauf und dabei einen wieder runter“ wäre etwas übertrieben, wenn auch nicht viel. Ich blickte zurück zu „meiner Hundehütte“ und genoß etwas die Aussicht, da kamen Anja und Caro mit ihren pelzigen Gefährten von oben entgegen. Sie erzählten mir unter an- derem, daß Sarah und Gerhard auf die Hikestrecke gewechselt haben und Tanja nun alleine unterwegs sei. Am Rückweg vom Checkpoint 3 mit einer weiteren Seite 88 (meine Startnummer) aus den Erzählungen von Herman Hesse in der Tasche kam mir Bibi entgegen. Nein, sie war nicht alleine, sie lief frei und Tanja kam hinterher. Auch der Ultraläufer ohne Hund, Gerhard (Gerhard 2 bzw. Ultragerhard), der extra einen Stoffhund auf seinen Rucksack montiert hatte, stellte sich ein. Nach einer kurzen Plau- derei gingen alle Ihrer Wege – die beiden zum Checkpoint und zum Gipfel bzw. Münch- nerhaus und ich zu meinen Hunden. EINEINHALB Stunden war ich für dieses kurze Stück unterwegs, und die Hunde waren immer in Blickweite!
Den Rückweg nahmen wir zur Kühlung und Pfotenschonung so oft wie möglich über die Schneefelder, wobei ich den Hunden zu Beginn Freilauf gewährte, denn die Schafe waren weit bergab außer Sicht. Wieder auf der Knorrhütte ergatterten wir wirklich den einzig freien Schattenplatz – besser gesagt: ich übernahm ihn von Anja und Caro :) Diesem gelungenen Platzwechsel folgte mein Mittagessen und 2,5 Stunden Pause. Ei- nen derart langen Erholungsschlaf hatten die Hunde nicht nötig, aber sie randalierten schließlich noch nicht.
Um 18:00 Uhr
starteten wir auf bereits schattigem Weg zum Gatterl und nach Tirol, wo es schlagartig saftig grün war und Murmeltiere um die Wette zu pfeifen schienen. Der bereits milderen Abendsonne folgten
wir Richtung Ehrwaldalm, an Gamsdutzenden vorbei. Ich hielt mir immer noch beide Optionen frei: Biwak und Durchmarschieren. Den Hunden ging es gut und so schein es mir ganz nach Durchziehen.
Einer meiner knöchelhohen Laufschuhe hat ab der dritten Stunde zu einem immer unangenehmeren Genossen gemausert und mir wurde bald klar, warum ich sie aus der letzten Ecke des Schuhkastels
gefischt hatte. Da ich sie schon lange nicht mehr im Einsatz hatte, war mir der Grund bloß nicht mehr bewußt … Das war auch ein Grund für die längere, aber ein- fachere Streckenvariante, für die
ich mich entschied: runter nach Ehrwald, rüber zur Ehrwalder Zugspitzbahn und weiter zum Eibsee und nach Grainau. Der machohafte Bulle auf der Ehrwaldalm war am anderen Ende der Weide und die
neugierigen Pferde liefen uns nicht nach – wir waren der Kartenkontrolle wegen (= Wegsuche) erst nach der Gastwirtschaft auf die Weide gelangt. Das Thema konnten wir also auch erfreut ab- haken.
Im Laufschritt war es nun deutlich angenehmer als zu gehen und bald waren wir in Ehrwald. Ein verlockender Weg oberhalb des Ortskernes wies leider ein (illegales) Jagdsperrschild auf (es fehlte
die Angabe des Zeitraumes), weshalb wir der komplika- tionsloseren und somit potentiell zeitsparenderen Variante wegen in den Ortskern vor- drangen. Dafür kamen wir an einem Trinkwasserspender
wie eigens für uns Dogtrekker und -innen konzipiert vorbei: Der Wasserhahn in Brusthöhe für Zweibeiner und dassel- be klare Wasser in einer gepflasterte Senke für die Hunde
:)
Kurz darauf wurden wir von Tanja und Ultragerhard begrüßt, die auf einer Parkbank auf ihre Abholung warteten. Workaholic Bibi hatte sich alle vier Pfoten durchgescheuert und wurde bereits nach Ehrwald herunter getragen. Es war 21 Uhr und das sportlich ge- sehen das Ende unserer Reise. Ich ließ die Hunde erst einmal im Gras liegen und ent- ledigte mich meines Gepäcks. Was für eine Wohltat! Hier herunten war es ziemlich warm und feucht, Sheyenne hechelte auch ziemlich stark. Belustigt kam ich von meiner Erkundungstour zurück, denn der Rezeptionist des Hotels, wo ich um den besten Weg zur Zugspitzbahn fragte, war ein rührig zivilisierter Mensch. „Halten sie das für eine gu- te Idee, jetzt wo es bald dunkel wird?“ fragte er mich, nachdem er mir den Weg gewie- sen hatte. Dabei hatte ich Grainau gar nicht erwähnt … Wenn er wüßte! :) Noch immer auf den Heimmarsch eingestellt, plauderte ich mit den beiden bis das Auto für deren Abholung eintraf. Wie in einem Würfelspiel entschied ich mich spontan mitzufahren und den restlichen Abend lieber bei Pizza und Bierli mit lieben Freunden zusammenzu- sitzen, die ich viel zu selten sehe. Nur so konnte die volle Dogtrekking-Palette ausge- kostet werden, auch wenn unser Abend dann müdigkeitsbedingt nicht mehr lange dau- ern sollte. Anja und Caro - die Langstreckenfinisher - konnte ich um ca. 00:30 Uhr nicht mehr einklatschen …
Das beste Schlußwort lieferte das Leben selbst: Am nächsten Tag, als ich mich ausge- schlafen vor dem Restmüllcontainer des Campingplatzes von meinen folterfreudigen Laufschuhen verabschiedete und sie durch die geöffnete Klappe beförderte, fragte mich ein auf freien Zutritt zum Müllkontainer wartender Camper mit breitem Grinsen: "Nie wieder wandern?" „Doch, doch, aber nicht mit diesen Schuhen!“
Mit einer wirklich gelungenen Veranstaltung ist die Dogtrekkingära in Deutschland so- mit eröffnet, herzliche Gratulation, Bernd, und Danke für diese tolle Zeit! Mit immate- riellen Schätzen kehren wir reich beladen wieder ins tägliche Leben zurück, gerne kom- men wir wieder!
P.S.: Ein bißchen Wehmut mischt sich bei mir mit den frischen Eindrücken, denn zu- mindest für Sheyenne sollte es das letzte Dogtrekking gewesen sein. Sie hat es auf die- sem Trail, der meiner Einschätzung nach der knackigste der Szene ist, so gut gemacht, daß ich mich gerade dabei ertappe, diesen Vorsatz auszuhöhlen. Wenn sie nächstes Jahr so fit ist wie immer und KEIN Winterfell mehr hat … Nein, ich habe es ihr doch ver- sprochen! Sie macht das alles wirklich nur mir zuliebe mit. Sie ist nicht wie Sannerk, der aus eigenem Antrieb lange laufen will, der nach drei, vier Stunden noch nicht nach Hause will. Sie war, einmal bei uns eingelebt, immer verläßlich und lief tapfer mit durch dick und dünn. Lieber bin ich mit ihr noch einige Jahre kürzer unterwegs als daß sie irgendwann gar nicht mehr will.